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Josef Mäschle, Dillingen / Saar

Ein paar Gedanken zu potentiellen Nachfolgern der Feuerwehraxt13.05.10 22:37
Hallo!

In Sachen Nachfolger Feuerwehr-Axt möchte ich mich auch mal zu Wort melden.

Punkt 1: Die Marktübersicht
Als möglicher Ersatz für die Feuerwehraxt sind verschiedene Produkte schon seit Jahren oder Jahrzehnten auf dem Markt. Alle sind etwas anders und haben verschiedene Vor- und Nachteile. Um die Übersicht zu vereinfachen teile ich die Werkzeuge hier mal in drei Klassen ein:
Spalthammer-Klasse:
Gewicht ca. 3 bis 3,5 kg, kurze Klinge mit steilem Klingenverlauf und Hammerfläche. Hohe Schlagwucht, handelsüblich, deshalb preislich zwischen ca. 15 und 50 Euro.
Dornaxt-Klasse:
Die klassische Feuerwehraxt. Zusätzlich zur Schneide gibt es einen spitzen Dorn, der die Möglichkeiten der Standardaxt beträchtlich erweitert und durch seine abgerundete Form häufig auch für leichte Brech- und Hubanwendungen geeignet ist. Etwa 3 und etwa 4 kg Kopfgewicht, Preise bis zu 200 Euro für qualitativ hochwertige Ausführungen. Die Dornaxt ist kaum geeignet, um weitere Werkzeuge einzuschlagen.
Mulitfunktions-Klasse:
Werkzeuge, die neben der Standardfunktion der Axt diverse Nebenfunktionen wie z. B. Brechklingen, Einreißhaken, Absperrschlüssel etc. haben. Die Nebenfunktionen bedingen immer eine Verschlechterung der Hauptfunktion. Gewicht bis zu 5 kg, Preise bis zu 400 Euro.

Für diese drei Kategorien gibt es diverse Anbieter und Ausführungen, Auswahl ist also durchaus vorhanden. Bevor irgendetwas beschafft wird, sollte aber immer zunächst geklärt werden, was das Werkzeug können soll und welche Eckwerte (Abmessungen, Gewichte, Material, Preis etc.) im Löschzug gewünscht werden. Es lohnt sich immer, den Anwendern Muster vorzulegen!

Punkt 2: Die Sache mit dem Gewicht
In Sachen Gewicht sollte ein Düsseldorfer Einsatz nicht vergessen werden, bei dem die BF-Kollegen mit einer DIN-Feuerwehraxt (Gewicht ca. 2,5 kg) eine handelsübliche Doppelgas-Fensterscheibe nur nach mehren Versuchen einschlagen konnten, um aus dem Raum vor akuter Brandentwicklung zu flüchten. Versuche in Abbruchhäuser bestätigten diese Erfahrung. Bei modernen Engergiesparhäusern mit mehrlagigen Glassystemen oder einbruchhemmenden Verglasungen sind hier in Zukunft eher noch mehr Probleme zu erwarten. Deshalb halte ich ein Kopfgewicht von 3 kg für einen sinnvollen Kompromiss zwischen erforderlicher Schlagwucht und zusätzlicher Belastung für den AGT. Wer die Anforderung eines höheren Werkzeuggewichtes für festere Bauteile ignoriert, ignoriert hier meiner Ansicht nach den Stand der aktuellen Bautechnik und die sich ableitenden Ausstattungserfordernisse.

Punkt 3: Was brauche ich eigentlich?
Das ist meiner Ansicht nach die interessanteste Frage, da sie durchaus von Löschzug zu Löschzug je nach Vorlieben, Einsatztaktik, Ausbildungsstand und Budget stark variieren kann.
Die Grundausstattung mit ausreichend großer Bandbreite an Anwendungsmöglichkeiten, ausreichender Schlagwucht, akzeptablen Gewicht und sehr moderatem Preis ist für mich der Spalthammer.
Für widerstandsfähige Türen würde ich diesen um ein Brechwerkzeug erweitern. Mein persönlicher Favorit ist hier die Bauform Kelly Tool. Ebenso sehe ich auch kein Problem darin, sowohl den Spalthammer wie auch ein Brechwerkzeug zu Tastzwecken einzusetzen. Neben dem im Referenzartikel zur Düsseldorfer Axt als praxisfern belächelten Tastschutzhüllen gibt es durchaus Verfahren, um auch Brechwerkzeuge der Bauformen Halligan oder Kelly so zum Tasten einzusetzen dass auch ohne Tastschutzhüllen keine nennenswerte Patientengefährdung entsteht. Wer sich mal wertneutral mit den Möglichkeiten solcher Werkzeuge auseinander setzt, wird zweifelsohne schnell zum selben Ergebnis kommen.

Und jetzt meine bevorzugte Variante: Wenn ich die Wahl habe, verzichte ich auf das „reinrassige“ Schlagwerkzeug und nehme gleich nur das Kelly-Tool mit. Ich kann damit tasten, schlagen, brechen und Material trennen in einem für mich akzeptablen Ausmaß, das Werkzeug ist auch sehr handhabungssicher durch den Wegfall des Dorns und des 90° -Versatzes der Querschneide. Man müsste allerdings mal etwas recherchieren und sich so ein Werkzeug ansehen um festzustellen, dass es sich eigentlich garnicht lohnt etwas Neues zu entwickeln.

An dieser Stelle gleich noch ein paar Worte zur Hypothese, dass ein Halligan oder Kelly ohne zusätzliches Schlagwerkzeug nahezu nutzlos sei: Nachdem durch viele Versuche die Öffnungstechniken überarbeitet wurden, ist es nun in der Regel möglich dass bei heißer Lage ein FA aufbricht und der andere das Strahlrohr hält, ohne dass „Einschlaghilfe“ gegeben werden muss. Diese Brechwerkzeuge entwickeln nämlich geschätzte 80 bis 90 % ihres Anwendungspotentials durchaus auch ohne Schlagwerkzeug-wenn man weiß wie. Der Antrieb mit einem (großkalibrigen) Schlagwerkzeug ist aus Sicht der Physik durch die am eingetriebenen Keil entstehenden hohen Flankenkräfte besonders effizient an einbruchhemmenden Bauteilen, hier sollten beide Werkzeuge oder gleich ein hydraulischer Türöffner zur Anwendung kommen.
Um es am Beispiel zu verdeutlichen: Niemand bezweifelt, dass ein einfacher Kuhfuß verschiedenste Brech- und Spannanwendungen ermöglicht, ohne dass es ein Schlagwerkzeug erfordert. Aber ein Werkzeug wie das Halligan, dass alle diese und noch weitere Anwendungsmöglichkeiten hat, soll dann gleichzeitig extrem in seiner Anwendung eingeschränkt sein, wenn es nicht zusammen mit einem Schlagwerkzeug eingesetzt wird? Interessanter Ansatz.

Wenn ich dagegen die klassische Axt-Bauform bevorzuge, dann ist die kaputtentwickelte, zu leichte deutsche Feuerwehraxt mit der nahezu völlig zweckfreien Hebelschneide das letzte, was ein FA in den innenangriff mitnehmen sollte. Eine 3 kg-Dornaxt mit verlustsicherem Kunststoff-Stiel ist hier das Maß aller Dinge, für den kräftigen FA können 4 kg noch wesentlich reizvoller sein.

Punkt 4: Modell Düsseldorf
Bevor ich auf das Werkzeug selbst eingehe möchte ich voranstellen, dass ich Gelegenheit hatte mit dem Kollegen Diekmann über das Werkzeug zu diskutieren. Ich schätze ihn und seine Initiative, der Feuerwehr Gerät zur Verfügung zu stellen, dass von den Anwendern entwickelt wurde und nicht von irgendjemand externen der völlig unbelastet vom Thema Feuerwehr zu wissen glaubt was Feuerwehrleute im Einsatz brauchen.

Bezüglich der Axt Modell Düsseldorf sind wir allerdings unterschiedlicher Meinung: Er findet sie für den Anwender optimiert, ich finde sie für Feuerwehranwendungen im Innenangriff etwa so nützlich wie einen 500g- Schlosserhammer. Man kann zwar etwas damit machen, aber irgendwie insgesamt einfach nichts sinnvolles für Feuerwehrbedürfnisse.

Damit meine Auffassung klarer wird, nehme ich nun mal zu meiner Sicht der beschriebenen Funktionen Stellung:

Hebeln mittels Hebelschneide:
Die Hebelschneide war und ist eine Verschlimmbesserung der Dornaxt. Während mit der Dornaxt sinnvolle Brechanwendungen möglich sind, ist die Hebelschneide zum Brechen auch in der neuen Form unsinnig. Sobald ich einen minimalen Hub erzielt habe, liegt der Axtkopf mit seinen Endpunkten auf seinem Widerlager auf. Als Folge breche ich mit minimalem mechanischen Gewinn über das „T“ auf und belaste darüber hinaus auch noch die Verbindung Stiel / Axtkopf in genau der ungünstigen Art und Weise, die schon etliche Normäxte den Holzstiel gekostet hat. Den herausgestellte Hauptvorteil sehe ich damit bereits als Nachteil ein, den bereits auf dem Markt erhältliche Schlagwerkzeuge eben nicht haben.

Hebeln mittels Axtklinge
Die erhöhte Hebelschneide hindert hier daran, den maximalen Hub auszunutzen, den die Vorspanntechnik mit der Axt erzielen kann. Hier ist die normative Feuerwehraxt grundsätzlich überlegen und wird von Brechwerkzeugen wie Kuhfuß oder Halligan weit übertroffen.

Stoßen (Rammfunktion)
In den Wuppertaler Öffnungsversuchen hatten die Probanden auch einen 10-kg-Rammbock zur Verfügung. Dieser wurde von den Teilnehmern einhellig als zu ineffizient durch die zu geringe Masse befunden. Das axiale Rammen ist bei einem Werkzeug mit ca. 2,6 Kilo Masse und einem schwingungsdämpfenden Stiel also höchstens dann erfolgversprechend, wenn das zu öffnende Objekt nicht mehr Widerstand leistet als ein Pappkarton...

Suchen / Tasten
Ein Werkzeugfunktion, die ich mittels eines an jedem FA angebrachten Bein ebenso wie mit einem beliebigen Besenstiel genauso darstellen kann ist in der Tat besonders erwähnenswert.

Reißende Funktion
Abgesehen davon, dass die abgebildeten Anwendungen, eine Decke vom Schrank zu ziehen und eine Deckenverkleidung von der Decke zu reißen auch wieder mit der normalen DIN-Axt funktionieren: Jeder, der mit einem Einreißhaken unter 1,8 m Stiellänge versucht eine Deckenverkleidung abzureißen ist entweder akut suizidgefährdet oder blöd. Wer stellt sich freiwillig (wie abgebildet) unter die fallende Last?

Zerstörende Funktion (Schlagen mit der Klinge)
Das man mit einer Axt grundsätzlich eine Fensterscheibe einschlagen kann ist ein echt innovativer Ansatz. Ich frage mich allerdings, warum die Erfahrungen aus eigenem Hause (siehe Punkt 2) hier geflissentlich verdrängt werden...

Alles in allem sehe ich in dem mir bekannten Modell Düsseldorf keine sinnvolle Verbesserung der bekannten Axt, da bereits das zu geringe Gewicht das Werkzeug disqualifiziert. Ich empfehle, bereits erhältliche Produkte als Muster zur Verfügung zu stellen und diese auch vorurteilsfrei hinsichtlich der erhofften Funktionen zu testen. Testen heißt nicht 30 Sekunden in die Hand nehmen sondern wirklich ein paar Fenster einzuschlagen, ein paar Türen aufzubrechen, 20 Minuten unter Nullsicht zu tasten etc.. Erfahrungsgemäß stellt sich dann recht schnell heraus, dass etwas weniger Funktionen und etwas mehr Masse insgesamt der beste Kompromiss sind.

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