Rubrik | Katastrophenschutz |
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Thema | Bevölkerungswarnung - war: Lage in NRW / RLP - ist: Starkregen/Unwetter und der KatS #
| 341 Beiträge |
Autor | Lore8nz 8R., Eberbach / BW | 870597 |
Datum | 21.07.2021 16:03 MSG-Nr: [ 870597 ] | 13215 x gelesen |
Infos: | 16.02.22 Abschlussbericht des vom Minister des Innern berufenen Kompetenzteams Katastrophenschutz 04.09.21 CP: Sonderteil Unwetterkatastrophe 22.07.21 THW Helfer aus Ahrweiler beschreiben ihre Flucht
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Technische Einsatzleitung
Löschgruppenfahrzeug
Katastrophenschutz
Hier ein Beitrag von Michael Ehresmann aus Facebook:
(ich hoffe das ist wegen dem Copyright kein Problem)
Warnung und Stabsarbeit - (k)ein Problem?! Ein subjektiver Erfahrungsbericht
Donnerstag und Freitag war ich im Katastrophengebiet Trier-Saarburg im Einsatz. Als Leiter der Mainzer Teileinheit der Landesfacheinheit Presse- und Medienarbeit hatten wir eigentlich die Aufgabe die Pressearbeit der Landkreises zu unterstützen, haben diese aber dann schnell für ca 30 Stunden übernommen und wurden Teil des Führungsstabs. 4048 Einsatzkräfte wurden hier geführt, 22.000 Betroffene Menschen rund um die Kyll und Sauer.
Nach einigen Tagen möchte ich meine ganz persönlichen und höchst subjektiven Ergebnisse dieser intensiven Erfahrung möglichst Stichpunktartig teilen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Wer nicht mittendrin war, kann sich nicht vorstellen welche Szenen sich abgespielt haben. Das hat jede Stabsrahmenübung oder Planspiellage übertroffen!
- Wenn ein Gebäudebrand mit eingeschlossenen Personen im Überflutungsgebiet, an den die Feuerwehr nicht ran kommt, zur Randnotiz wird dann hat man vielleicht eine Idee wie groß und dynamisch die Lage war. Da können sich jetzt Maulhelden auf Facebook aufregen und schlau daherreden. Mittendrin war keine Sekunde Zeit für schlaue Sprüche.
- Alle Einsatzkräfte haben definitiv alles gegeben! Ich habe alle Kräfte unter höchsten Einsatz erlebt. In allen Abschnitten wurde das eigene Leben aufs Spiel gesetzt, Material geopfert.
Die örtlichen Einsatzkräfte haben übermenschliches geleistet. Sie haben Menschen, sich selbst gerettet. Während sie selbst ihr eigenes Hab und Gut verloren, ihren Ort quasi zerstört gesehen haben, haben sie durchgearbeitet, sich nicht ablösen lassen. Schwierige Situation.
- Wenn die Sache im Vordergrund steht und für Positionskämpfe keine Zeit ist, entstehen großartige Ergebnisse in schneller Zeit
- Führungskräfte mit guten Soft-Skills und hoher kommunikativer Kompetenz ermöglichen eine sehr gute Zusammenarbeit über lange Zeit unter hohem Stress.
- Es ist gut wenn Führungskräfte auch in der Lage ihre Gefühlslage und was sie stört, ansprechen können ohne es zum Thema zu machen. Das reguliert die Stimmung ohne dass sich etwas aufstaut, was dann explodiert.
- JEDE Vorbereitung zahlt sich aus. Egal ob Landesfacheinheiten, Kommunikationswege und -mittel, Kennzeichnungen. Jeder Gedanke im Vorhinein spart in der Lage Zeit und Chaos.
- Bundeseinheitliche Standards wie eine DV100 ermöglichen eine Übernahme der Stabsarbeit durch eine TEL aus BaWü in RLP mit nur einer kurzen Übergabe und einer kurzen Lagebesprechung.
- Die Bevölkerung ist geschockt, hat meist alles verloren: Außer ein Lachen. Wenn wir über ungünstige Bilder von Politikern reden, vergessen wir nicht, wie es die Bevölkerung im Schadensgebiet lebt. Ich habe vor allem Menschen erlebt, die anpacken, sich zusammensetzen. Gemeinsam mit den Einsatzkräften aufräumen, essen, ein Lachen finden und die Situation bewältigen.
- Malu Dreyer nimmt ihren Job verdammt ernst. Natürlich brauchen wir Politik vor Ort. Aber nur wenn sie uns und die Betroffenen ernst nehmen. Wenn ich erlebe wie diese Frau trotz ihrer Krankheit ernsthaft interessiert ist, sich Zeit für Gespräche nimmt und weiter geht als ihre Gehhilfe es eigentlich ermöglicht: klasse. Wie unangenehm es ihr war, dass der alte Wehrführer des Ortes trotz seiner Erschöpfung ihr die Gehhilfe bringt: Das ist Empathie und Menschlichkeit - auf beiden Seiten. So viel besser als auf Facebook zu hetzen.
- Wir haben gefühlt unerschöpfliche Ressourcen an hochmotivierten Einsatzkräften. Da steht ein LF aus BaWü mitten in einem Dorf in RLP und alle packen an. Ein Lächeln auf den Lippen. Können wir daraus bitte zwei Sachen mitnehmen? 1. Helfen macht glücklich. 2. Es ist egal wo du herkommst oder wer du bist, es ist nur wichtig was du machst.
- Vertrauen ist der Schlüssel. Vermutlich lag es an dem Wissen, dass wir keine Wahl haben oder mal nicht meinen, es schon besser zu können. Aber wenn wir einfach mal vertrauen wenn jemand uns sagt ich brauche jetzt bitte dies oder das, können gute Ergebnisse ohne Konflikte entstehen. Klingt komisch, is aber so.
- Eigenlob: Das (teure) Konzept der Landesfacheinheit PuMa mit ihrer großzügigen Ausstattung hat sich als extrem sinnvoll erwiesen und hat vor Ort enorm geholfen bzw. komplett entlastet ohne lokale Ressourcen zu nutzen.
x Wir haben zu wenig echte Katastrophenschutzfahrzeuge! Wattiefe und Geländegängigkeit sind für die Phänomene unserer Zeit (Hochwasser und Vegetationsbrände) unersetzlich! Wir brauchen mehr robuste Technik in der Breite.
x Digitalfunk ist eine Katastrophe! Wenn hessische Kräfte nicht mal die örtliche Gruppe aus RLP schalten können oder BaWü immernoch ohne Digitalfunk kommt, die örtlichen Feuerwehren aber aufgrund der engen Begrenzung an Geräten nicht Mal welche zur Verfügung stellen können, ist die Kommunikation gefährdet! Ja, TBZ-Gruppen schön und gut. Erklär doch mal deiner lokalen Feuerwehr dass sie nach 20 Stunden jetzt eine TBZ schalten muss. Unrealistisch! Es kann doch nicht sein, dass es technisch geht, aber wir aus irgendwelchen restriktiven Gründen diese nicht schalten können.
x Es braucht rote Telefone! Stäbe und Behörden benötigen rote Telefone die frei bleiben für dringende Dinge. Das hat die Polizei nach dem Amoklauf von Winnenden schon gelernt. Es darf nicht sein, dass ein Lagezentrum in dringenden Fällen nicht erreichbar ist. Muss man vorher dran denken und planen!
Spontanhelfer brauchen Führung und müssen eingeplant werden. Wir können es nicht ignorieren und bekommen es auch nicht durch Bitten und Ver-/Gebote komplett geregelt. Hier sind wertvolle Ressourcen, die organisiert sein müssen und sich einbinden lassen. Das ist eine hohe kommunikative und organisatorische Herausforderung!
x Warnen können wir nicht. Kein einheitliches System und das, was es gibt, ist unpraktikabel. Es kann im Jahr 2021 nicht sein, dass ich ein MOWAS Formular per Hand ausfüllen und an eine Leitstelle faxen muss, die ohnehin über das Limit gefordert ist.
Außerdem werden Warnapps zu inflationär genutzt. Wenn die DWD App oder Katwarn vor jedem Regenschauer warnt, tritt genauso ein Gewöhnungseffekt ein, wie wenn ich jedes Mal bei der Fahrt durch Taunusstein eine nutzlose katwarn-Meldung bekomme, dass wir Corona haben.
x Jedes Glied in der KatS Struktur ist wichtig! Und wir können nicht alle perfekt funktionieren. Dann kann man sich abends schon Gedanken ums Frühstück machen und es klappt trotzdem nicht. Führungskräfte brauchen Disziplin aber auch Initiative, sonst wird es schwierig.
x Jede Führungskraft hat Verantwortung. Wenn Einsatzkräfte nach ihrem Einsatz öffentlich motzen dass sie heim geschickt wurden oder bei einer solchen Lage 3-4 Stunden im Bereitstellungsraum standen, muss ich mich fragen wie die Führungskraft dieser Einheit kommuniziert hat. Weiß sie selbst wie das grade läuft? Kann sie das erklären? Es ist sehr wichtig den Kräften verständlich zu machen, dass und warum jetzt einiges anders läuft. Das beugt Frust vor. Und ja, bei 4048 Kräften und mehreren parallelen Katastrophengebieten geht auch mal ein Zug oder gar Verband verloren bzw aus dem Blick oder nie da rein. Das ist ärgerlich, aber leider völlig logisch.
x Wir können nicht die Nerven behalten. Es sind noch Menschenrettungen am laufen da wird auch diese Situation für Politikbashing und Stimmungsmache benutzt oder es werden unüberlegte Sammelaktionen gestartet. Warum sind wir bei Warnungen und Vorbereitungen so bequem, verfallen aber dann in furchtbaren Aktionismus wenns dann so kam, wie die bösen Schleifer und Schwarzmaler/Panikmacher gesagt haben.
x Wir müssen uns kritisch überprüfen. Immer wieder! Wenn wir im Alltag schon Schwierigkeiten haben weil Leitstellen ausfallen, Strukturen durch normale Großeinsätze an ihre Grenzen kommen, die IT schon kaum geht, haben wir genau keine Resilienz für dynamische Flächenlagen! Wenn wir im Alltag dauerhaft technische, organisatorische und fachliche Defizite kompensieren, haben wir keine Reserven mehr für das außergewöhnliche. Aber auch das ist unsere Aufgabe. Lasst uns unseren Anspruch an uns selbst höher stelln.
x Wir müssen globaler denken! Es ist gut und wichtig lokale Spezialgruppen (zB Führungsunterstützung oder Medien-Teams) zu haben. Ohne größere Struktur auf Kreis oder besser Landesebene, wird es schwer wenn alle lokalen Gruppen anders gebunden sind. Die Landesfacheinheiten in RLP hat es gezeigt, wir hätten noch mehr davon gebrauchen können.
x Mein Respekt gilt allen, die sich aktuell füreinander einsetzen. Aber auch allen, die das ganze Jahr über dicke Bretter bei denen bohren, die Notwendige Arbeit/Investitionen mit es läuft doch abtun. Weiter bohren! Bitte.null
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Geändert von Lorenz R. [21.07.21 16:09] Grund: = nur für angemeldete User sichtbar = |
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| 28.09.2018 17:14 |
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Bern7har7d D7., Schwetzingen (BaWü) Starkregen/Unwetter und der KatS | |