Ein Baustein der Geschichte ist die Frage, wie "Rechtsgrundlagen" in der reinen Feuerwehrausbildung überhaupt gelehrt werden. Der Truppmann bekommt 3 Unterrichtseinheiten (von denen eine eigentlich auch nur Zivilschutz ist) größtenteils in der Lernzielstufe 1: Wissen, im Sinne von "nennen können. Seine Rechte und Pflichten sowie die Funktionsträger bekommt er nach LZS 2, also Verstehen, im Sinne von "mit eigenen Worten beschreiben bzw. erklären können. Beim Truppführer sind es zwei Einheiten LZS 1, bei Maschinisten zwei Einheiten LZS 2, selbst der Gruppenführer bekommt zwar immerhin 5 Einheiten verpasst, auch nur LZS 2. Erst beim Zugführer taucht mal die LZS 3 auf: "Anwenden, im Sinne von "das einmal Verstandene auf ähnliche Situationen übertragen können"". Kurioserweise wird es beim Verbandsführer wieder in LZS 2 mit 2 Einheiten kastriert, bevor der Leiter einer Feuerwehr mit 10 Einheiten LZS 3 mal halbwegs rechtsgrundlagengeboostert wird (ok, werden sollte). Und der Lehrgang "Ausbilder" beinhaltet im Übrigen ja auch nur 2 Einheiten LZS 1.
Vor ein paar Jahren habe ich mal für eine Schulung in mir zugänglichen Rechtssammlungen geschaut, in wievielen Vorschriften der Begriff "Feuerwehr" überhaupt vorkommt. Das waren auf Landesebene RLP 45 Gesetze, 135 Verordnungen und 35 Verwaltungsvorschriften. Dazu kommt der Bund mit 87 Gesetzen, 73 Verordnungen und 163 Verwaltungsvorschriften. Klar, nicht alles davon muss der Feuerwehrmensch kennen (tlw. gilt: um Gottes Willen, besser nie was von hören lassen!), aber nur mal im Vergleich der Zahlen: Feuerwehrmenschen können ihre Rechtsgrundlagen gar nicht kennen.
Darunter kommen dann Vorschriften wie z.B. § 9 Abs. 1 LBKG RLP: "In Städten mit mehr als 90.000 Einwohnern muss die Feuerwehr Einheiten aus hauptamtlichen Feuerwehrangehörigen (Berufsfeuerwehr) umfassen." Das kann mit Lernzielstufe 1 abarbeiten, auch mit 2, macht da im Test ne Ankreuzfrage draus "Ab wieviel Einwohnern muss man eine Berufsfeuerwehr haben? []10.000 [] 90.000 [] mehr wie die Nachbarstadt" und fertig.
Es gibt aber auch Vorschriften, und das sind die, wegen denen man dann je nach persönlicher Veranlagung mit 0 bis 3 Beinen im Knast landet, die lauten z.B. irgendwo in so einem Absatz 5 "Die Bundeswehr, die Polizei, die Bundespolizei, die Feuerwehr und die anderen Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes sowie der Zolldienst sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist."
Das steckt dann dummerweise voller unbestimmter Rechtsbegriffe, die tlw. von Gerichten schon in allen möglichen Varianten definiert und ausgelegt wurden. Und dazu kommt dann der ganze Krempel, mit dem sich die Juristerei so den lieben langen Tag beschäftigt und der im Feuerwehrleben auch gar nicht so selten praktiziert werden muss und auch wird, zum Glück regelmäßig ohne es zu merken. Auswahlermessen, Entschließungsermessen, Ermessensfehlgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensnichtgebraucht, Angemessenheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit im weiteren und engeren Sinn, Scheingefahr, Anscheinsgefahr...
Bei solchen Rechtsgrundlagen ist dann nix mehr mit "Nennen können" und auch nix mehr mit "mit eigenen Worten beschreiben bzw. erklären können". Das ist dann zwangsläufig "Anwenden, im Sinne von "das einmal Verstandene auf ähnliche Situationen übertragen können" - also, siehe oben, die seltene Lernzielstufe 3. Also: Feuerwehrmenschen können ihre Rechtsgrundlagen gar nicht kennen, und sie können sie auch nicht können.
Mit dem Missstand wird man aber leben müssen, denn selbst wenn man nur die gängigsten Bein(e)-im-Knast-Punkte StVO, Landesbrandschutzgesetze/-verordnung(en) und meinetwegen noch Amtshilfe dazu wirklich halbjuristisch ordentlich in die Ausbildung packen würde, fliegen uns die Lehrgangsdauern komplett um die Ohren. Daher muss man weiter damit leben, dass Leute, die womöglich oftmals selbst nicht viel fundiertere Kenntnisse davon haben, dass eben in viel zu knappen Zeitansätzen unter eigentlich unsinnigen Lernzielen an den Nachwuchs verteilen, der sich dann vor- und nachher in der Feuerwehrbravo, in Stammtischgesprächen oder letztlich den normalen gesellschaftlichen Sichtweisen schon seine subjektiven Ansichten zum Recht mit all seinem Zauber und Horror gebildet hat. Es wird ja gefühlt doch zu 99% richtig angewandt, obwohl es keiner kennt und keiner kann. Und für den einen Maschinisten, der trotzdem lautstark losjammert, ständig mit einem Bein im Knast zu sein, ja meine Güte, kauft man halt Automatikgetriebe.
"In der Regel machen es die reinen Experten nicht gut. Das ist wie vor Gericht. Der Zeuge weiß, wie es war, versteht aber nichts. Der Gutachter versteht alles, weiß aber nicht, wie es war. Der Richter versteht nichts und weiß nichts, aber er entscheidet - nachdem er alle angehört hat." (Wolfgang Schäuble, Stern-Interview vom 20.06.2013)
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