Grüß Dich,
sehr gut erklärt. Ich füge jetzt noch was hinzu:
Interessant ist schon, ob § 35 StVO rechtmäßig in Anspruch genommen wurde. Am Ende der Tatbestandsprüfung beim § 315 c StGB steht ja die überschießende Innentendenz, also grob verkehrswidrig und rücksichtslos (auch wenns im Gesetzestext weiter vorne steht, aber das sind Grundregeln des Strafrechts, das kann sich jeder googeln). Wenn ich jetzt Kommentare und Rechtsprechung zur Hilfe nehme, dann bleibt das Rücksichtslos, weil z.B. laut Kommentar Fischer sogenannte Fernziele bei der Betrachtung der Motivlage irrelevant sind, bestehen. Allerdings handelt laut Rechtsprechung, wer rechtmäßig Sonderrechte in Anspruch nimmt, niemals grob verkehrswidrig. Und jetzt ist der genaue Wortlaut vom § 35 VII StVO relevant. Hier steht "...dürfen nur...", nicht "...gelten nur...". Das eine ist eine sogenannte Auflage, das andere eine Bedingung. Während die Bedingung das eigentlich rechtmäßige Sonderrecht erlöschen lassen würde und damit auch § 315 c StGB greifen könnte, dürfte in diesem Fall nur der Verstoß gegen die Auflage vorliegen und damit eine Verkehrsordnungswidrigkeit mit einem Regelahndungssatz von 35,- (Erhöhen bis zum Regelahndungssatz des Rotlichtsverstoßes etc. natürlich möglich).
Wobei ich hier jetzt nur des Teufels Advokaten spiele. Ich hab keine Ahnung wie das Verfahren ausgehen wird. Zum einen ist zu wenig vom Sachverhalt bekannt, zum anderen sind Richter sehr findig. Wenn das Verhalten nicht gepasst hat wird sich ein Weg finden das zu ahnden ;-)
Vom Grundprinzip ist es aber richtig, dass diese Hürde eingebaut ist, weil sonst JEDER Rotlichtunfall mit Sonderrechten ein Vg. nach § 315 c StGB wäre:
Objektiver Tatbestand:
- Vorfahrt missachtet (bei jedem Rotlichtverstoßt gegeben, egal wie vorsichtig ich fahre)
- Sachen gefährdet bzw. sogar geschädigt (auch egal wie vorsichtig ich fahre, wenn ich was übersehe und es kommt zum Unfall wäre das immer gegeben)
subjektiver Tatbestand:
- hinsichtlich dem Rotlicht Vorsatz (läge auch immer vor)
- hinsichtlich Gefährdung Fahrlässigkeit (gem. Absatz 3 ausreichend)
Überschießende Innentendenz (2. Teil vom subjektiven Tatbestand):
- Rücksichtslosigkeit (würde immer vorliegen, weil die Fernziele unbeachtlich bleiben)
- und grob verkehrswidrig würde auch immer vorliegen, weil ein Rotlichtverstoß immer ein grober Verkehrsverstoß ist!
Das wäre dann auch gegeben, wenn ich mit Schritttempo mich vorsichtig eintaste (auch mit Dienstfahrzeug und Blaulicht und Horn) und halt einfach was übersehe. Deswegen ist die Hürde in der Rechtsprechung eigentlich ganz gut.
Ich hab jetzt nur rechtliche Gesichtspunkte herausgestellt. Das Verhalten des Kameraden mag ich nicht beurteilen, weil ich dafür zu wenig über den Sachverhalt weiß und ich auf der anderen Seite weiß, wie viel in der Presse und von Zeugen (vor allem wenn sie sich persönlich betroffen fühlen, weil sie z.B. überholt wurden) übertrieben wird. Das Verhalten kann völlig inakzeptabel gewesen sein, dann wird ein Richter einen Weg finden das angemessen zu ahnden. Das Verhalten kann aber auch einfach eine normale Inanspruchnahme von Sonderrechten und viel Pech gewesen sein, dann wird der Richter hier auch sicher den richtigen Weg finden.
Schönen Gruß
Stefan
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