Rubrik | Einsatz |
zurück
|
Thema | Gewalt gegen Einsatzkräfte #
| 122 Beiträge |
Autor | Fran8z-P8ete8r L8., Hilpoltstein / Franken (Bayern) | 846913 |
Datum | 22.02.2019 22:32 MSG-Nr: [ 846913 ] | 3957 x gelesen |
Infos: | 04.09.19 #IMMERDA Kampagne wirbt für Respekt gegenüber Einsatzkräften 29.03.18 Iserlohn: RTW-Besatzung angegriffen 20.02.17 Feuerwehr Velbert: Respektlosigkeit vor Einsatzkräften nicht mehr nur ein Problem in Großstädten! 20.02.17 Feuerwehr Kelsterbach: Feuer - Menschenleben in Gefahr
|
Hallo,
Dein Rechts- und Unrechtsempfinden sowie Dein Urteilsvermögen bleiben Dir unbenommen. Dank unseres Rechtsstaates bleibt es Dir auch unbenommen, immer noch selbst Staatsanwalt oder Richter zu werden, um in Fällen wie diesen, zukünftig gerechtere Strafen zu fordern oder Strafbefehle abzulehnen, um eine Verhandlung zu veranlassen und härtere Urteile zu sprechen.
Vielleicht gibt es dazu dann auch entsprechende Einsprüche, Berufungen und sonstige Gegenmittel, die weitere Ermittlungen und Verhandlungen erforderlich machen, wenn jemand (ggf. zurecht) Deine Einschätzung eben mal nicht teilt.
Wie schon geschrieben bin ich heilfroh um das Strafbefehlsverfahren, weil sich Gerichte und Ermittlungsbehörden auf deutlich schwerere Vergehen und Straftaten konzentrieren können als auf so einen Pipifax wie hier.
Wir brauchen uns nicht wundern, wenn Terroristen, Totschläger und Kinderschänder verfahrensbedingt freigelassen werden müssen, weil sich Gerichte und Ermittlungsbehörden stattdessen wochenlang mit Schwerverbrechern beschäftigen müssen, die eine Diskussion mit einem Feuerwehrmann durch forciertes Vorbeifahren am selbigen beendet haben.
Ich gehe aber nach wie vor davon aus, dass die mit den Ermittlungen betrauten Personen, der zuständige Staatsanwalt und der zuständige Strafrichter wieder einmal gute Arbeit geleistet haben und alle den Fall betreffenden Umstände berücksichtigt und abgewogen haben, die sowohl gegen den Beschuldigten als aber auch für ihn gesprochen haben. Dass Strafen weh tun müssen wissen diese Leute aus langjähriger Erfahrung auch, somit werden sie wohl auch hier, übrigens im Namen des Volkes und nicht Im Namen der Rothelme oder im Namen eines Bordsteinjuristen, zu einem geeigneten Urteil gefunden haben.
Ich vergleiche die schändliche Tat und die Strafen mal mit einem anderen Bereich.
Wenn ich Lust und Muße hätte, dann könnte ich jede Woche mindestens zwei-/dreimal irgendeinem geschäftigen Handwerkerle mit einer Geldbuße, gerne dann bis zu 500.000,- um eine möglichst große Abschreckung zu erreichen, das Licht ausmachen. Die verstoßen nämlich oft nicht nur gegen eine Vorschrift oder nötigen jemanden, zur Seite zu treten, sondern gefährdet auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung und Leben und Gesundheit von Personen.
Schließlich sagt das Gesetz z.B.:
Art. 79 BayBO Ordnungswidrigkeiten
(1) 1Mit Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro kann belegt werden, wer vorsätzlich oder fahrlässig
5. Bauarten entgegen Art. 15 Abs. 2 Satz 1 ohne Bauartgenehmigung oder entgegen Art. 15 Abs. 3 Satz 1 ohne allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis für Bauarten anwendet,
13. entgegen Art. 50 Abs. 1 Satz 1 keine geeigneten Beteiligten bestellt oder entgegen Art. 50 Abs. 1 Satz 5 eine Mitteilung nicht oder nicht rechtzeitig erstattet oder entgegen Art. 50 Abs. 1 Satz 4 oder entgegen Art. 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 die erforderlichen Nachweise und Unterlagen nicht bereithält.
Verwendbarkeitsnachweise auf der Baustelle? Zu > 80% Fehlanzeige! Führt immer zu großem Entsetzen, wenn man dann so eine Baustelle (natürlich auf Kosten des Handwerkers) einstellt, solange bis er seine Papiere auf der Baustelle hat. Dann schaut man zur Bauüberwachung dort rein und stellt fest, dass komischerweise die Ausführung ganz anders ausschaut. Sofort anzeigen? Oder ertüchtigen lassen?
Wenn man Glück hat, dann kommt noch ganz frech die typische Antwort: Aber das haben wir doch schon immer so gemacht! (= schon immer falsch machts nicht richtiger!) oder auch Immer die neuen Vorschriften, die ändern sich ständig! (Ja, durch die notwendige Umbenennung eines Bauproduktes z.B. zu einer Bauart hat sich die Produktbezeichnung geändert, die technischen Anforderungen sind aber schon seit >15 Jahren gleich). Da geht mir die Hutschnur hoch und ich hab dann manchmal aktuell doppelt große Lust, den Deppen über Mitteilung beim Bauherrn und bei der Bauaufsichtsbehörde über die Klinge springen zu lassen.
Früher hab ich die schlimmsten Ausführungen dann als abschreckende Beispiele für die Brandschutzvorlesung bei meinen Haustechnikstudenten verwendet. Diese hab ich mittlerweile bis auf die größten Lumpereien reduziert und verwende mehr positive Beispielbilder von Installationen z.B. von irischen Firmen bei Bauvorhaben in Deutschland. Wieso schaffen die sowas zu > 99% fehlerfrei? Sicher nicht nur, weil sie auch tatsächlich die Verwendbarkeitsnachweise auf der Baustelle haben, die schauen auch ab und zu mal rein und halten sich auch noch dran.
Dann gibts da noch:
Art. 79 BayBO Ordnungswidrigkeiten
(2) Mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro belegt werden kann ferner, wer
1. unrichtige Angaben macht oder unrichtige Pläne oder Unterlagen vorlegt, um einen nach diesem Gesetz vorgesehenen Verwaltungsakt zu erwirken oder zu verhindern,
3. ohne dazu berechtigt zu sein, bautechnische Nachweise im Sinn des Art. 57 Abs. 5 Satz 3, des Art. 62 Abs. 1 Satz 1 oder des Art. 78 Abs. 2 Satz 2 erstellt, bescheinigt oder bestätigt,
Traurig, dass viele Übereinstimmungserklärungen und -bestätigungen oder Sachkundigenbestätigungen nicht einmal das Papier wert sind, auf das sie geschrieben sind. Übereinstimmungserklärungen werden für den größten Murks ausgestellt, den sogar ein Blinder mitm Krückstock von hinten sieht. Teilweise sind die Erklärungen auch schon vorher da, bevor die Bauprodukte überhaupt eingebaut wurden. Wenn dabei der Verwaltungsakt Bescheinigung Brandschutz erwirkt werden soll, ist das bewusst und vorsätzlich.
Und mindestens zwei-/dreimal im Jahr sind auch Feuerwehrler dabei, die aufgrund einseitiger Freizeit- und Berufswahl sich dazu befähigt fühlen, Brandschutzkonzepte aufzustellen, ohne dazu berechtigt zu sein.
Eigentlich eine Mordssauerei, auch bewusst und vorsätzlich. Was nun? Die OWi sofort anzeigen? Den Bauherrn drauf hinweisen, wenn er schon was bezahlt hat, ein Betrugsverfahren anzuleiern? Oder den Kameraden in einem stillen Moment mitteilen, was zur Lösung der Misere eine prüffähige Lösung wäre?
Ja, ganz oft würde anzeigen viel Sinn machen, vor allem im Sinne der Marktbereinigung und Qualitätssicherung. Abe wohl mit dem Ergebnis, dass man noch länger auf Handwerker wartet als bisher oder dass man mehr Privatinsolvente, Arbeitslose und deren Familien mitfinanzieren müsste. Von denen, die dann lachend montagmorgens mit dem Kastenwagen über die Grenzen einfallen, ganz zu schweigen.
Eigentlich ist es manchmal schon Strafe genug, wenn der Schreiner den Feuerschutzabschluss auf eigene Kosten und Zeit wieder ausbaut uns zulassungskonform wieder einbaut (bzw. dazu auch einen neuen FSA kaufen muss) oder wenn ein Elektriker viele viele Kabelschotts, ggf. auch unter Entfernung der bisherigen Schottung oder einer Trockenbaudecke, nacharbeiten muss. Oder wenn ein Feuerlöscherkundendienst einen großen Auftraggeber verliert, weil er halt mal wieder nur eine Putzlappenprüfung durchgeführt hat.
Und für manche Handwerker oder Sachkundige ist es auch schon Strafe genug, das man sie viermal (und öfter!!!) eine Übereinstimmungsbestätigung ausfüllen lässt, bis sie es endlich mal geschafft haben, den richtigen Feuerwiderstand, die richtige Verwendbarkeitsnachweisnummer oder (fast schon die Königsklasse!) auch noch das aktuelle Datum des Verwendbarkeitsnachweises bzw. der Verlängerung einzutragen.
Genauso, wie man mit Deinem Lösungsvorschlag vielleicht einem Berufskraftfahrer oder einem Medikamentenlieferant die Arbeits- und ggf. Existenzgrundlage entziehen würde, könnte man tagtäglich in Deutschland ganz viele Leute an die Wand fahren.
Letztendlich sähe Dein Lösungsvorschlag, der dann gleichwertig auch für viele Handwerker gelten müsste, übertragen vielleicht so aus:
Geldbuße im Maximalbetrag
Entzug der Befähigung des Verwendbarkeitsnachweisinhabers, Brandschutzprodukte einbauen zu dürfen, für 3 Monate
Bei Tateinheit mit Betrug, insbesondere wenn er schon den zweiten Bauherrn vorsätzlich oder fahrlässig beschissen hat, zusätzlich Geldstrafe mind. 30 Tagessätze und Führungsaufsicht.
Ja, Strafe muss sein! Aber bitte verhältnismäßig. Und möglichst schnell nach Abschluss aller nötigen Ermittlungen erledigt. Lieber da ein paar Tausender weniger einnehmen, als andere Verbrecher laufen lassen zu müssen.
Vielleicht kannst Du Dich ja mal nicht nur in die Rolle des umfahrenen und ignorierten (und in seiner Absperrpostenehre zutiefst gekränkten) Feuerwehrmanns versetzen sondern auch mal in die Rolle des schuldigen Handwerkers (auch wenn Du sicher immer alle baurechtlichen Vorgaben einhältst und jederzeit sämtliche aktuelle Nachweise vorliegen hast) und überdenkst Dein Urteil nochmal.
Audiatur et altera pars!
Franz-Peter
Der Beitrag stellt meine private Meinung dar und nicht die Meinung der Stellen oder Organisationen, bei denen ich beruflich oder ehrenamtlich tätig bin.
Tue zehn Jahre lang Gutes, und niemand wird es bemerken. Eine Stunde lang Böses getan, und Ruhm ist dir gewiss. - Samurai-Weisheit
Besucht uns unter:
Feuerwehr Hilpoltstein
Frühdefibrillation - Laiendefibrillation im BRK-Kreisverband Südfranken
LFV Bayern - Fachbereich 4: Vorbeugender Brandschutz
Informationen aus dem Fachbereich 4 VB
Beitrag inhaltlich zustimmen / ablehnen |
<< [Master] | antworten | >> |
flache Ansicht | Beitrag merken | alle Beiträge als gelesen markieren |
|