Einen interessanten Artikel dazu findet man in der Zeit: Feuerwehr - Helden ohne Plan
Mitte der siebziger Jahre gab es mal eine Studie, in der untersucht wurde, wie lange ein Mensch das Atmen toxischer Rauchgase überlebt. Zwanzig Jahre später kombinierte eine Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren diese Zahlen mit den Verhältnissen eines "typischen" städtischen Brandes im zweiten Stock eines Wohnhauses und berechnete daraus die Zeit, bis zu der die Feuerwehr den Opfern noch helfen kann. So entstand der ominöse Quotient. Heute existieren die Daten zur Studie nicht mehr; sie ist nicht verifizierbar, also unwissenschaftlich. Die aus ihr abgeleiteten Werte aber sind bis heute gültig.
Auf der Interschutz wurde eine neue Studie vorgestellt, die verlässlichere Zahlen bieten sollte. Doch sie belegte vor allem, wie mühsam Feuerwehrforschung ist. Einerseits stehen Wohnungen heute schneller als im vergangenen Jahrhundert in Flammen, weil die Möbel teilweise aus Kunststoff bestehen. Andererseits sind die Wohnungen größer geworden, die Möbel stehen weiter auseinander, was die Flammenausbreitung verzögert. Auch die Wärmedämmung beeinflusst den Brandverlauf, heute brennt es schneller, heißer dafür aber auch kürzer. Angesichts solch komplexer Zusammenhänge wirkten die Projektteilnehmer bei der Verkündung ihrer Studienergebnisse recht ratlos. Projektleiter Tobias Pflüger von der Feuerwehr Frankfurt betonte, man betreibe ja eigentlich Grundlagenforschung. Sein Chef assistierte, Feuer sei nicht planbar, sondern unberechenbar. Das Szenario eines "typischen" Wohnungsbrandes etwa betreffe allenfalls ein Prozent der Fälle. Schlafe ein Raucher über seiner Kippe ein, habe man schon einen ganz anderen Brand. Einhellig war man der Meinung, dass noch ganz viel erforscht werden müsse. Nur sei dafür kein Geldgeber in Sicht. Nach diesen Vorreden rückten die Forscher schließlich mit ihrer neuen magischen Quote heraus, und siehe: Es war die alte!
Auf wunderbare Weise muss sich also nichts ändern. Die Studie bekommt nun der Geldgeber, die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Und Brandschutzpläne werden weiterhin Pi mal Daumen geschrieben.
"In der Regel machen es die reinen Experten nicht gut. Das ist wie vor Gericht. Der Zeuge weiß, wie es war, versteht aber nichts. Der Gutachter versteht alles, weiß aber nicht, wie es war.
Der Richter versteht nichts und weiß nichts, aber er entscheidet - nachdem er alle angehört hat."
(Wolfgang Schäuble, Stern-Interview vom 20.06.2013)
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