Geschrieben von Bernhard D.Aber Unwetterwarnungen müssen auch ankommen
Kachelmann hat vor dem gestrigen Sturm eine, zumindest in meinen Augen, grandiose Warnung formuliert:
ÜBERLEBEN AM 3. JANUAR IM WESTEN UND SÜDEN - DIE DEPPENSICHERE FIBEL
Wenn irgendwo auf der Welt jemand in einem Hochwasser, unter einer Lawine, in einem Erdrutsch oder von einem Baum erschlagen werdend stirbt, ist es fast immer in Deutscher.
Deswegen schreibe ich zu Ihnen. Sie haben durch Jahrzehnte Bildungsnotstand Ihre natürlichen Instinkte verloren. Sie denken, dass "Sturm" und "Orkan" nichts mit Ihnen zu tun haben. Sie haben seit dem Hochwasser 2002 den natürlichen Anspruch, dass der Staat Tag und Nacht dazu da ist, Sie zu schützen und zu entschädigen, wenn was passiert. Denn Sie zahlen ja gerne Steuern und finden Steuersenkungen etwa so wie Tempolimit. Deswegen haben Sie nicht nur einen Anspruch auf ungehemmte Raserei, sondern auch auf Waldspaziergänge und Alleenbummeln bei Orkan. Eigenverantwortung ist was für Amerikaner, und seit Trump ist das ja alles noch viel schlimmer geworden. Sie sind Deutscher und wollen rundum versorgt sein. Und sehen auf Ihre App, während der Baum auf Sie fällt, dieses Katwarn müsste das doch wissen und Ihnen sagen.
Weil Sie so denken, sterben Sie bei popeligen Wurst-Unwettern wie die Fliegen. Kürzlich, Berlin. Nichts Wildes, aber sieben Tote. Stürmt wies Tier, aber wie die Lemminge unter die Bäume. Eine deutsche Eiche fällt nicht. Ja, das hat Opa gesagt und am Ende hat es selbst Franz-Josef Strauss erwischt, wie eine Eiche. Dafür ohne Maike.
Das Gemeine am Sturm morgen: Sie stellen sich alle den typischen Herbst- und Wintersturm vor, wird langsam immer mehr, dann ziemlich viel, dann lässts wieder nach. Sie haben Zeit, nachzudenken. Sollten brechende Äste etwas bedeuten? Ist es eine gute Idee, mit Waldi in den Wald? Unter dem Baum parken? Am Waldrand entlang fahren? Das Kind in den Kindergarten bringen, obwohl da ganz viele Bäume...?
So einfach wird es nicht, Der Sturm morgen ist anders, wie im Sommer. Von 0 auf 100 in einer Minute, von Ententeich zu Orkan. Ja, es wird zwar tiefschwarz, kurz bevor es losgeht, aber Sie können das nicht deuten. Sonst gäbe es keine Aquaplaning-Unfälle, wo Sie mit 200 in diesen geheimnisvollen Regenvorhang hineinfahren und dann bremsen, wenn alle bremsen und es am dümmsten ist, Sie sind auch nicht in der Lage, Nebel vorherzusehen, wenn Sie plötzlich die Lichter des Vordermanns nicht mehr sehen, könnte ja auch bedeuten, dass gerade die Aliens ihn hochgebeamt haben und so fahren Sie mit 100 in die Nebelbank und bremsen...ja, haben andere auch schon. Wenn es am dümmsten ist.
Deswegen wird es für Sie morgen ganz schwer werden. Sie müssen sich vorstellen, dass Sommer ist (obwohl Sie finden, dass Ihnen die kalendarisch vorgeschriebene Schneedecke vorgehalten werden soltle). Sie müssen sich um den Zeitpunkt herum, wenn die Front erwartet wird -
http://www.twitlonger.com/show/n_1sqcqev - bemühen, nach oben zu gucken. Ja, dort ist kein Handy, aber es geht. Wenn es Richtung Westen/Nordwesten dunkel wird (fragen Sie Ihre Grosseltern, wo das ist, wählen Sie dafür BITTE noch nicht den Notruf), dann bereiten Sie sich darauf vor, dass es gleich abgehen könnte. Dass alles fliegt. Auf Sie, auf Ihr Auto.
Entgegen dem, was Sie immer dachten: Ihr Auto ist kein Panzer. Da war Opa..lassen wir das. Baum auf Auto: Sie sind trotzdem tot. Und Gerhard Schröder kommt diesmal nicht, wenn Ihnen was passiert. Also orientieren Sie sich selbst im Raum. Irgendwas, was Ihnen auf den Kopf geweht werden könnte? Baum? Gerüst? Verkehrsschild? Sonstwas? Wenn ja: weg!
Ist Ihr Kind sicher? Weiss das unterbezahlte und überforderte Kita-Personal, was so kommt und wann? Oder machen die ihren Ausflug immer zur selben Zeit und haben eh keine Ahnung von Wetter und Bäumen und weil gerade eine krank ist, ist die andere für 40 Kinder zuständig, Sie wollen Ihres aber wiedersehen? Stellen Sie sicher, dass die morgen drinbleiben, wenn Sie im Gefahrengebiet sind. Oder nehmen Sie das Kind mit zur Arbeit. Und planen Sie Ihren Arbeitsweg halt zeitlich um die Unwetter rum, meine Güte. Das Unwetter wird kurz, aber knackig sein, nur das Gepuste im Norden nachmittags dauert länger.
Sie müssen sich also nur wenige Minuten konzentrieren, um zu überleben. Stellen Sie sich kurz vor, Sie wären kein Deutscher. Niemand, der immer glaubt, dass immer andere zuständig sind, wenns ihm schlecht geht. Der glaubt, dass es am Wetter läge, wenn der Kopf weh tut. Oder dass Amis, Russen und Juden schuld seien, wenns nicht läuft. Seien Sie mal wie Ben Cartwright früher in Bonanza. Das eigene Schicksal selber in die Hand nehmen. Sterben Sie nicht im Sturm morgen, auch wenn es schwer fällt. Es würde mich wirklich sehr freuen.
"In der Regel machen es die reinen Experten nicht gut. Das ist wie vor Gericht. Der Zeuge weiß, wie es war, versteht aber nichts. Der Gutachter versteht alles, weiß aber nicht, wie es war. Der Richter versteht nichts und weiß nichts, aber er entscheidet - nachdem er alle angehört hat." (Wolfgang Schäuble, Stern-Interview vom 20.06.2013)
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